Einschätzung der Bebauungspläne 
zum CreativRevier Heinrich Robert

(Unter >Planungen und >Bebauungspläne finden Sie unsere vier ausführlichen Stellungnahmen 
zu den vier Bebauungsplänen des CreativReviers.)


Kurzfassung der wesentlichen Punkte unserer Stellungnahmen:
∆  Sollten die vorgesehenen Wohngebäude und Einzelhandelsflächen bezogen sein, sind 8000 Anfahrten täglich prognostiziert. Wir haben uns gegen diese Planung entschieden, weil wir dieses zusätzliche Verkehrsaufkommen auf der jetzt schon stark frequentierten Kamener Straße als viel zu hoch einstufen. 

∆  Die geplante Konkurrenzsituation für die bestehenden Einzelhändler einige Hundert Meter weiter an der Kamener Straße sehen wir als ungerechtfertigt und unnötig an; die Versorgung der Pelkumer Bürger ist auch ohne neue Einzelhändler gesichert.
∆  Die Lärmemissionen überschreiten die zulässige Lärmgrenze um vier Dezibel.

∆  Die Unterbringung großer mit Schadstoffen des Bergbaus belasteten Bodenmengen auf einer Bodendeponie auf dem CreativRevier sind nach unserer Einschätzung problematisch.

∆  Auch die Rest-Fundamente der vom Bergbau errichteten und abgerissenen 703 Gebäude und Anlagen sehen wir als kritisch an, wenn die Flächen mit Wohngebäuden und Gewerbebetrieben bebaut sind.

∆  2646 Fahrradabstellplätze sind auf dem Gelände vorgesehen; wir fragen uns, wie die vielen Radler auf den schlechten Radwegen auf der Kamener Straße und der Fangstraße an Veranstaltungstagen gemeinsam sicher zum Ziel kommen sollen.
∆  Wir kritisieren, dass Photovoltaikanlagen, die die Klimaerwärmung begrenzen, auf den Dächern der Gebäude nicht verbindlich vorgeschrieben sind.
∆  Für 14 planungsrelevante und seltene Vogelarten und eine Eidechsenart werden keine adäquaten Ersatzlebensräume geschaffen.

∆  Wir haben als Alternative einen Landschaftspark auf dem Gelände der früheren Zeche Heinrich Robert vorgeschlagen, der besser bewirtschaftet wird als der Lippepark in Herringen, aber weniger intensiv als der Maxipark in Uentrop.

∆  Hinzu kommen die prognostizierten Zufahrten zum geplanten Verladeterminal "Multi Hub Westfalen" auf dem Gelände des Rangierbahnhofs Hamm. Hier sind 600 Zufahrten täglich (das macht 1200 Fahrten inkl. der Rückfahrten) schwerer Container-LKWs prognostiziert, die zu einem großen Teil über die Kamener Straße anfahren werden (siehe die Menü-Unterpunkte auf dieser Internetseite unter >Planungen und >B 63n, >K 35n, >Multi Hub Westfalen).

Mit Kreativität aus der Krise

Angesichts der multiplen Krisen, mit denen wir uns aktuell befassen, verwundert es sehr, dass man bei der Nachnutzung des Bergwerks Heinrich Robert in Hamm auf althergebrachte Muster setzt und keine nachhaltige Lösung für die Zukunft anstrebt. 

Zu den multiplen Krisen gehören 

– die aktuelle Klimakrise (vgl. Paumen 2021), 

– die allgegenwärtigen Umweltschutzprobleme (vgl. Settele 2020), 

– das bedenkliche Artensterben (vgl. WWF Deutschland 2022), 

– die großen Biodiversitätsverluste (vgl. Fischer/Oberhansberg 2020), 

– der irreversible Landschaftsverbrauch inkl. die konventionelle Landnutzung und 

– die angestrebte Dekarbonisierung (Abkehr von fossilen Ressourcen wie Öl, Gas und Kohle).

All dies zwingt zu neuen Ansätzen und zum kreativen Umgang mit dem bestehenden Rechtssystem. Schließlich gehört die Bewältigung von Krisen zu den Aufgaben einer modernen Planung. Und ein engagierter, transparenter und partizipativer Umwelt- und Klimaschutz sind wichtige Bestandteile der kommunalen Daseinsvorsorge – und das auch ohne eine „Gemeinschaftsaufgabe“ nach Art. 91a Abs. 1 GG für Klimaschutz- sowie für Klimaanpassungsmaßnahmen, die momentan in Berlin diskutiert wird (vgl. Klima-Allianz Deutschland 2023). 

Mit Innovationen zur Planungswende

Bei Berücksichtigung dieser Ausgangslage und dem Mut, für die Bürger in Hamm einen vorzeigbaren und langfristigen Mehrwert zu schaffen, hätte die Nachnutzung des ehemaligen Bergwerks zu einem zukunftsfähigen, integrativen Leuchtturmprojekt der Stadtentwicklung werden können, wenn das Gebiet nach den Kriterien der starken Nachhaltigkeit bearbeitet worden wäre (z.B. mit vorausschauenden Konzepten, Instrumenten und Nachhaltigkeitsanleihen, die auf die Umsetzung der 17 Nachhaltigkeitsziele der UN eingehen). 

Der Ansatz der Nachhaltigkeit geht davon aus, dass die planetaren Grenzen der Erde zum Maßstab der Planung werden müssen und die ökologischen Grenzen einzuhalten sind. Auf kommunaler Ebene ist dies die (endliche) Fläche der Gemarkung als Raum der Bauleitplanung. Sie muss nachhaltig gestaltet und Ausdruck einer echten, aufklärerischen „Landwende“ werden. 

Als Demonstrationsmaßnahme für eine umweltorientierte Stadtentwicklung könnte die „dreifache Innenentwicklung“ angewendet werden, die derzeit vom Umweltbundesamt im Zusammenhang mit dem Neuen Europäischen Bauhaus (NEB) propagiert wird (vgl. UBA 2022). Nach diesem Leitbild wird die Stadtentwicklung mehrdimensional gestaltet. Insbesondere „Bauen“, „Mobilität“ und „Grün- und Freiflächen“ werden räumlich so verknüpft, dass eine Verbesserung der Lebensqualität entsteht und der Flächenverbrauch auf Netto-Null reduziert wird. Außerdem wird mit diesem Vorgehen der extrem hohen Flächenversiegelung entgegen gewirkt und großen Wert auf die Bedeutung des gesunden Bodens gelegt. Ähnliches will auch die Stiftung „Gesunde Erde – Gesunder Mensch“ erreichen (vgl. von Hirschhausen 2021).

Mit Gemeinwohl zum Erfolg

In Hamm wurden die „frei“ gewordenen 55 ha des ehemaligen Bergwerks Heinrich Robert primär wirtschaftlich und nicht nach den Kriterien der starken Nachhaltigkeit in den Blick genommen. Daraus sind zeitgleich vier unterkomplexe Standard-Bebauungspläne auf dem Gelände des „CreativReviers Heinrich Robert“ entstanden (abgegrenzt nach Kernbereich, Gewerbe, Einzel-handel und Wohnen), die Vorschub für die kapitalistische Aneignung der gesamten Fläche leisten.
Eine Bewertung der Biotoppotenziale der Fläche hat es eigenständig bislang nicht gegeben, und die entstandenen Waldflächen stehen deshalb jetzt zur Disposition. 

Unter den Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit und der Zukunftsfähigkeit wäre die Situation eine andere: Die Flächenpotenziale hätten sich primär nach dem Biotopwert gerichtet und die Nachnutzung am Sanierungsbedarf der Altlasten orientiert. Damit wären Wald- und Grünflächen als Gemeingut in dem Gebiet erhalten geblieben und die Vermarktung der alten Gebäude stilbildend auf ein Minimum reduziert worden. Für ein solche Kontextualisierung hätte ein  innovativer Bebauungsplan gereicht, die Fläche wäre dauerhaft geschützt und nicht der Beliebigkeit des Marktes ausgesetzt worden. Mit einem solchen

Umdenken wäre ein echter gesellschaftlicher und politischer Fortschritt sichtbar und das daraus abgeleitete Handeln naturverträglicher geworden. 

Zwar soll das Gebiet energieautark versorgt werden, aber das Energiesparen und die öffentliche Bereitstellung von Energie sowie die Stromerzeugung mit PV-Anlagen an den Gebäuden und insbesondere auf den Dachflächen sind nicht verpflichtend geregelt. Dieses Manko ist neben der „Ökologieferne“ ein Schwachpunkt bei der Nachnutzung des Bergwerks Heinrich Robert in Hamm.

Es fehlen verbindliche Festsetzungen zu nutzungsintegrierten PV-Anlagen, die bei jeder baulichen Nutzung und bei Neubauten vorzusehen sind. Wer auf Freiwilligkeit setzt, verkennt die Brisanz des Klimaschutzes und der Ressourcenplanung.

Die Klein-Windenergieanlagen auf dem Förderturm sollen die Energieautarkie symbolisieren; sie sind jedoch nur Ausdruck einer überschwänglichen Marketingstrategie gegenüber dem Thema Nachhaltigkeit, die mit grüner Rhetorik neuen Fortschritt andeutet, aber nicht konsequent vollzieht. Hierzu gehören eine vollständige Dezentralisierung und eine angepasste Re-Naturierung, z. B. mit einer naturnahen Rekultivierung der Altlasten und Brachflächen sowie mit der Realisierung von Gemeinschaftsanlagen und Permakulturgärten. Eine solche Revitalisierung des Bodens auf der gesamten Fläche tut Not!

Fazit

Trotz vieler Krisen und der „Zeitenwende“ (Bundeskanzler Scholz) bzw. dem „Epochenbruch“ (Bundespräsident Steinmeier) werden daraus auf kommunaler Ebene keine Konsequenzen gezogen und ein „Weiter so, wie bisher“ wird favorisiert. Dies muss sich ändern; den „fossilen Krieg“ (Fridays for future) müssen wir auf allen Ebenen stoppen! Dafür muss es auch zu einem Umdenken hin zu einer „Planungswende“ bei der Bauleitplanung kommen, damit das zukünftige Handeln naturverträglicher werden kann und eine umfassende Krisenbewältigung stattfindet.  

Bebauungspläne müssen am nachhaltigen Umgang mit der Fläche bewertet werden. Die Fläche ist ein knappes Gut! Insofern sind die vier vorliegenden Bebauungspläne zum CreativRevier Heinrich Robert in Hamm nicht ambitioniert genug. Ehrlicherweise müsste man hier von „Greenwashing“ reden und von einer Gefälligkeitsplanung gegenüber dem (ehemaligen) Bergbau. Sie sorgen nicht für mehr Grün- und Freiflächen, sondern dafür, dass der Versiegelungsgrad nutzungsbedingt noch weiter ansteigt und die Verkehrs- und Lärmprobleme an der Kamener Straße unerträglich werden. 

Planungsstrategisch entsprechen sie nicht den Erfordernissen und Notwendigkeiten einer Zeit im Umbruch; sie sind nicht nachhaltig und nicht zukunftsfähig. Auch werden sie nicht dem Anspruch  gerecht, den man von einer kommunalpolitischen „Koalition des Aufbruchs“ erwarten kann. Hier ist eine Qualifizierung dringend notwendig. Die Nachnutzung von Heinrich Robert hat – de lege lata – eine verbesserte (problem- und krisenorientiertere) Planung verdient.

Edmund A. Spindler – 15.02.2023 



Literatur

Fischer, Frauke und Oberhansberg, Hilge: Was hat die Mücke je für uns getan? Endlich verstehen, was biologische Vielfalt bedeutet. München: oekom verlag, 2020, ISBN 978-3-96238-209-4

Klima-Allianz Deutschland (Hrsg.): Allen Kommunen sozial gerechten Klimaschutz ermöglichen. Bewältigung der Klimakrise muss Gemeinschaftsaufgabe werden. Berlin: klima-allianz.de, Januar 2023

Paumen, Anja: Projekt Klimaschutz. Was jetzt geschehen muss, um noch die Kurve zu kriegen. München: oekom verlag, 2021, ISBN 978-3-96238-295-7

Settele, Josef: Die triple Krise. Artensterben, Klimawandel, Pandemien. Warum wir dringend handeln müssen. Hamburg: Edel Books, 2020, ISBN 978-3-8419-0635-3

UBA (Hrsg.): Dreifache Innenentwicklung. Definition, Aufgabe und Chancen für eine umweltorientierte Stadtentwicklung. Dessau: Umweltbundesamt, Dezember 2022, ISSN 2363-829X

von Hirschhausen, Eckart: Mensch, Erde! Wir könnten es so schön haben. München: dtv Verlagsgesellschaft, 2021, ISBN 978-3-423-28276-5

WWF Deutschland (Hrsg.): Living Planet Report 2022. Kurzfassung. Berlin: wwf.de, Oktober 2022