Der Multi Hub Westfalen
auf dem Gelände des Rangierbahnhofs Hamm
Kurzfassung wesentlicher Punkte vorab:
Nützt der Multi Hub Westfalen den Hammer Bürgern? Welchen Nutzen haben wir in Hamm davon? Antwort: Keine, denn das Verladeterminal entlastet nicht Hammer Straßen, sondern belastet sie. Es geht nicht um den LKW-Verkehr heimischer Gewerbebetriebe, die von den Hammer Straßen verschwinden sollen, sondern es werden bis zu 600 schwere LKW bis 40 Tonnen Gesamtgewicht nach Hamm geholt, die den Multi Hub anfahren. Inkl. der Rückfahrten werden künftig 1200 LKWs zusätzlich durch Hamm fahren. Dies ist eine große Belastung durch Verkehr mit den Auswirkungen Lärm, Abgase, Stickoxide, CO2.
Richtig ist, dass das Autobahnnetz in Nordwestdeutschland entlastet wird.
Zurzeit sind Zubringerstraßen nicht vorhanden. Daher soll die B 63n von der Autobahn A 2 in Bönen bis zur Hafenstraße in der Hammer Innenstadt gebaut werden. Geplante Fertigstellung: 2039, aber vielleicht auch deutlich später. Die Finanzierung ist ungesichert.
Daher soll bereits in Kürze eine Verbindungsstraße von der Kamener Straße (B 63) zur Rathenaustraße gebaut werden, die K 35n (Weetfelder Straße neu). Sie zerschneidet die Wiescherbachaue mit den vielfältigen Lebensstätten einer artenreichen Tierwelt.
Sollte die B 63n tatsächlich gebaut werden, ist diese Straße überflüssig.
Es ist eine Binsenweisheit: Jede neue Straße erzeugt zusätzliche Verkehre.
Der Multi Hub Westfalen gehört nicht in die Innenstadt Hamms, sondern in die Nähe eines Autobahnkreuzes.
Auf dem schon seit Jahren weitgehend ungenutzten Gelände des Hammer Rangierbahnhofs entlang der Rathenau-, Oberon- und Banningstraße soll ein Umschlagplatz für schwere Güter, der "Multi Hub Westfalen", entstehen, um Transportgüter von der Straße auf die Schiene zu bringen. Diese Idee ist grundsätzlich zu begrüßen; sie schafft Arbeitsplätze und könnte deutschlandweit für weniger LKW-Verkehr im Fernverkehr sorgen.
Doch bei der Umsetzung dieser Idee reicht es nicht, einen Plan von oben herab zu erstellen, ohne die Bürger vor Ort aktiv einzubeziehen. Zu den Prioritäten der Kommunalpolitik gehört der frühzeitige Dialog mit den Bürgern in Form von Transparenz und Partizipation und keine Politik, die über den Kopf der Bürger – nur im Sinne der Investoren – plant und handelt. Die Frage, wer von diesem Vorhaben einen Vorteil erzielt, muss auch offiziell gestellt und öffentlich werden. Insofern stehen am Anfang alle Alternativen eines Plans (mit allen Umweltauswirkungen bis hin zur Null-Variante) zur Diskussion (Null-Variante: alles bleibt so, wie es ist).
Allerdings müssen die Zahlen der steigenden Verkehrsströme in Hamm betrachtet werden. Bis zu 1200 täglich an- und abfahrende schwere LKWs zum Multi Hub werden auf Hammer Straßen künftig zusätzlich unterwegs sein. Ist das den Bürgern zuzumuten? Diese enormen Mengen an LKWs bringen eine erhebliche Belastung durch Lärm und Abgase für die Anwohner mit. Die Kamener Straße wird die Hauptlast der LKW-Ströme von der Autobahn
A 2 (Abfahrt Hamm/Bönen) tragen, die Dortmunder Straße/Johannes-Rau-Straße wird die Verkehre von der Autobahn A 1 (Abfahrt Hamm/Werne) aufnehmen müssen. Insbesondere die Ausfahrt Nordbögge der A2 in Bönen und die Zubringerstraßen sind bereits heute völlig überlastet (besonders zur Rush hour) und weisen hohe Werte an Stickoxiden auf.
Die BG Weetfeld betrachtet den geplanten Bau der B 63n nicht als Lösung der Verkehrsprobleme. Ohne diese Straße gibt es keine Zufahrt zum Multi Hub in der Innenstadt, aber mit dieser Straße wird die Situation für die Bürger auch nicht verträglicher. Neue Straßen erzeugen neue Verkehre. Die B 63n würde in Pelkum die Landschaft zwischen den Ortsteilen Kirchspiel und Selmigerheide zusätzlich zerschneiden, ca. 40 Hektar Freifläche vernichten und den Lebensraum der wild lebenden Tierarten (viele Arten per Gesetz "Streng geschützt") weiter einschränken. Verkehrslärm würde nicht nur von der nahe gelegenen A 2 auf die Anwohner einwirken, sondern auch von der B 63n.
Gleiche Probleme werden durch die geplante Ersatz-Verbindungsstraße K 35n zum Multi Hub entstehen, die am ehemaligen Bergwerk Heinrich Robert beginnen wird und quer durch die jetzt noch freie Landschaft parallel zum Wiescherbach bis zur Rathenaustraße auf den Multi Hub geführt werden soll. Sie stellt die kurzfristige Lösung dar, weil die B 63n auf die Schnelle nicht gebaut werden kann. Die DB Cargo als Betreiber des Multi Hub wird nicht bis 2039 oder länger darauf warten, dass die B 63n irgendwann fertig wird, sondern sich einen anderen Standort suchen.
Dortmund bietet sich an, dort schrillen die Alarmglocken, man vermutet unerwünschte (Verlade-)Konkurrenz aus Hamm! Was in Hamm geplant ist, ist in Dortmund vorhanden, allerdings deutlich kleiner und reformbedürftig. Würde der Multi Hub dort gebaut bzw. das Terminal vergrößert und ausgebaut, kämen neue Schienen und neue Straßen hinzu. Und Dortmund liegt ebenso verkehrsgünstig an Autobahnen wie Hamm und verfügt auch über einen Binnenhafen. Also warum nicht gleich in Dortmund, wenn die Voraussetzungen dort günstig sind?
Wird der Multi Hub Westfalen tatsächlich gebaut, leisten die Hammer Bürger dem nordwestdeutschen LKW-Verkehrsnetz einen Bärendienst, indem schwere LKWs (auch mit gefährlicher Ladung aus der Chemiebranche) nach Hamm geholt werden! Sind die Hammer Bürger die „Samariter“ des LKW-Verkehrs in Nordwestdeutschland? Wie selbstlos sollen sie sein, was verlangt man da von den Bürgern? Welche Auswirkungen haben die zunehmenden Verkehre auf das vorhandene Straßennetz und auf Brückenbauwerke? Die Schranken der straßenhöhengleichen Bahnübergänge in Pelkum sind oft geschlossen und bringen ständige, teils lange Wartezeiten mit sich, sodass durch zusätzliche Zugbewegungen langer Güterzüge auch hier mit einer unzumutbaren Steigerung zu rechnen ist.
Es muss aber auch die Frage gestellt werden, was auf bundesdeutschen Autobahnen alles per LKW transportiert wird! Das Konsumverhalten der Bürger weltweit hat sich gewaltig verändert in den letzten Jahrzehnten. Einzelhändler verschwinden vom Markt, weil sie nicht mehr konkurrenzfähig gegen den Onlinehandel sind. Der Verbraucher bestellt und schickt zurück, was nicht gefällt: Kleidung, Elektroartikel und vieles mehr.
Lagerhaltung findet auf den Autobahnen statt, das gilt sogar für in Druckereien benötigtes Papier: nachmittags bestellt, am nächsten Morgen gebracht. Fahrzeugteile der Automobilkonzerne müssen pünktlich geliefert werden. Kommt der anliefernde LKW zu spät, stoppt das Produktionsband bei den Autobauern. Die Ansprüche der Verbraucher sind gestiegen, kaum ein Nutzer bedient ein Handy, das älter ist als zwei Jahre. Black Angus Steaks werden aus Argentinien heran geschafft, die Massentierhaltung von Rindern, Schweinen, Hühnern und Puten erfordert Transporte auf den Straßen, den Fleischer um die Ecke gibt es kaum noch, man fährt zum Supermarkt. Und das Prozedere um all diese Produkte findet sich auf den Straßen wieder. CO2-Ausstoß und Klimawandel sind die Folgen.
Wie können die Probleme gelöst werden? Die verantwortungsbewussten Wissenschaftler sind sich einig: Es geht nur mit Verzicht. Nur mit großer Veränderung der Gewohnheiten aller Menschen kann es gelingen, den drohenden Klimawandel zu vermeiden!
Neue Straßen - neue Verkehre
Auch der Hafen Hamm spielt hier eine Rolle, denn die Güter sollen nicht nur über den Schienenweg, sondern auch über den Kanal Richtung Multi Hub transportiert werden. Auch das bedeutet, dass zusätzliche Züge vom Multi Hub über die Hafenstraße geführt werden müssen. Da die dortige Hafenbahn ebenerdig verläuft, wird auf der Hafenstraße mit deutlich häufigeren und längeren Rotphasen der Ampelanlage der straßenquerenden Hafenbahn zu rechnen sein.
Die Bürger sollen das Recht bekommen, über B 63n und Multi Hub abzustimmen!
Die BG Weetfeld fordert daher, die Bürger in einer Abstimmung über den Bau der B 63n und des Multi Hub Westfalen einzubeziehen, wie es 2005 zur Planung des Lippesees der Fall gewesen ist. Diese großen Vorhaben können Politik und Verwaltung nicht beschließen, ohne ein Votum der Bürger eingeholt zu haben. Die Durchführung von Bürgerversammlungen mit wenigen Bürgen reicht dazu nicht aus. Was bedeutet "frühzeitige Bürgerbeteiligung" überhaupt? Ist jemals die Meinung eines anders denkenden Bürgers von der Stadtspitze, dem Planungsamt oder den beauftragten externen Planungs- und Gutachterbüros gefolgt oder ernst genommen worden? N E I N !
Aber das, was durch den Multi Hub geplant ist, ist ja noch längst nicht alles. Auf einem weiteren Gelände der Westfälischen Union zwischen Wilhelm- und Hafenstraße in der Innenstadt hat der Logistik-Wegbereiter Prologis Flächen erworben für weitere Logistikbetriebe, die zusätzliche erhebliche LKW-Verkehre nach Hamm bringen würden.
Zusammenfassung
Der zweite Bauabschnitt des Inlogparcs ist seit dem Beschluss des Rates der Stadt Hamm vom 15.12.2020 eigentlich vom Tisch. Der nördliche Weiterbau des Inlogparcs war aber der hauptsächliche Grund für den Straßenbau der B 63n. Da das nun nicht mehr gegeben ist, ist der neuerdings geplante Ausbau von Teilen des Rangierbahnhofs zu einem Güterumschlagplatz die neue Begründung dieser Straßenplanung. Einige Gleise des ehemals größten Verschiebebahnhofs Europas in Hamm werden von der Bahn seit vielen Jahren nicht mehr genutzt, sie liegen brach. Die Stadt Hamm liebäugelte selbst 2018 noch damit, die B 63n über diese Bereiche des Verschiebebahnhofs zu führen und hier ein Wohn- und Gewerbegebiet zu schaffen. Aber 2020 ist eine andere Nutzung ins Gespräch gekommen: Die Deutsche Bahn plant aktuell ein großes Güterverteilzentrum, einen Container-Umschlagplatz, eine Millioneninvestition: den Multi Hub Westfalen. Die Güter, die hier von Zügen auf LKWs umgeladen werden sollen, werden die Zahl der schweren LKWs drastisch nach oben treiben, die durch die Hammer Innenstadt fahren würden. Und natürlich geht es um Arbeitsplätze, die hier neu entstehen sollen. Nun liegt der Verschiebebahnhof in der von Wohnbebauung umgebenen Innenstadt. Das ist der Knackpunkt. Die Frage, wie hoch die Belastungen der Anwohner durch diese Straße sein werden, wie erträglich sie sein könnten, was zumutbar ist, wird im Rahmen der Planungen zu erörtern sein. Ein Industriegebiet in einer Innenstadt ist nach heute geltenden Regeln in der Planung nicht vorstellbar und würde an dieser Stelle nicht geplant werden, gäbe es den Standort des Rangierbahnhofs nicht.
Ein Industriegebiet mitten im Stadtkern kann nicht die richtige Entscheidung sein. Es ist auch nicht angemessen, dafür eine neue Bundesstraße zu bauen. Es muss andere Lösungen geben, um Güter von der Straße auf die Schiene zu bringen. Ein solches Güterverteilzentrum gehört in die Nähe eines Autobahnkreuzes.
Quelle Abbildung:
EVG Ortsverband Hamm/Bielefeld – "Konzeptstudie des EVG-Ortsverbandes Hamm/Bielefeld – Multi Hub Westfalen auf dem Gelände Hamm Rbf"
Version 10.0. Dezember 2019 – 24 Seiten